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In den 30-40er Jahre hatten der von                                  tere sich nicht entleeren wird. 1969
        der Colitis ulcerosa betroffener Che-                                beschrieb Kock die kontinente Ileosto-
        miestudent Henry König und sein Chir-                                mie auch für Patienten nach Dick-
        urg Alfred Strauss in den USA an Klebe-                              darmentfernung. Seine Technik wurde
        stoffen gearbeitet, mit deren Hilfe die                              nun mit seinem Namen als Kock Pouch
        Stomaplatte an der Haut befestigt                                    genannt.
        werden konnte. Die kommerzielle
        Herstellung wurde von Hermann                                        Im Laufe der nächsten Jahre zeigte
        Rützen (alle drei waren deutsche                                     sich zunehmend, dass der Kock Pouch
        Auswanderer) übernommen, so dass                                     in dieser Ausführung relativ schnell
        der „Strauss-Koenig-Rutzen bag“ bzw.                                 inkontinent wurde und trotzdem eine
        „Koenig-Rutzen bag“ für eine längere                                 Versorgung mit Beutel benötigte.
        Zeit das non plus ultra der Stomaver-                                Bereits 1972 veröffentlichte Kock eine
        sorgung blieb und teilweise noch bis                                 weiterführende Entwicklung seiner
        in die 80er Jahre verwendet wurde.                                   Technik: er versah den Pouch mit einer
        Anfang der 50er Jahre entwickelte die   Abb. 1                       Art Ventil, das er „nipple valve“ nannte
        dänische Krankenschwester Elise   Konstruktion eines Ileostomaresevoirs   (Abb. 1). Die von dem Pouch zur Bauch-
        Sörensen den ersten Stomabeutel mit   mit einem Nippel-Ventil, das durch die   decke führende Schlinge wurde einge-
        Basisplatte aus Karayagummi mit   Invagination des abführenden Schenkels   stülpt (Invagination), was ihre sponta-
        selbstklebenden Zinkoxidflächen.   gebildet wird. Aus der Kocks Originalpu-  ne Entleerung unmöglich machte. Eine
        Es gelang ihr, den Kunststofffabrikan-  blikation (Kock NG. Continent ileostomy.   Katheterisierung war erforderlich, um
        ten Aage Louis-Hansen zu überzeugen,   Prog Surg. 1973;12:180-201.) Im Schritt   das Nippel-Ventil zu überwinden.
        die neue Stomaversorgung serienmä-  „D“ ist das Einstülpen (Invagination) der
        ßig zu produzieren, womit der Weg zur   Dünndarmschlinge abgebildet. Diese In-  Mit der Entwicklung des „nipple-valve“
        modernen Stomaversorgung eröffnet   vagination macht eine spontane Entlee-  wurde die heute gültige Technik des
        wurde. Louis-Hansen gründete die   rung des Pouches unmöglich.       kontinenten Ileostomas gegründet,
        Firma „Coloplast“.

        Nichtsdestotrotz blieb bis in die 70er
        Jahre die Ileostomaversorgung bei wei-
                                     ©FgSKW
        tem nicht so gut wie dies heute der Fall
        ist. Seit den 60er Jahren wird daher an
        der Schaffung eines kontinenten Ileo-
        stomas gearbeitet, sprich an einem
        Ileostoma, das sich nicht spontan
        entleert und nicht mit einem Beutel
        versorgt werden muss.

          Nils G. Kock

        Der in Finnland geborene N.G. Kock
        (1924 – 2011) forschte und arbeitete
        seit den 50er Jahren in Sahlgrenska
        Universitätsklinik in Göteborg, die bis
        heute eine der wenigen Hochburgen
        der kontinenten Ileostomachirurgie
        bleibt. In den 60er Jahren experimen-
        tierte Kock an der Entwicklung einer
        aus dem Ileum gebildeten Neo-Blase
        bei Hunden. Das Ziel war die Schaffung
        eines Reservoirs für den Urin, das sich
        nicht spontan entleeren konnte. Kock
        entdeckte, dass ein Dünndarmreser-
        voir einen niedrigen Druck aufwies,
        sich nach der Anlage erweiterte und
        bis zu 500-600ml Urin aufnehmen
        konnte. Das Reservoir (der Pouch) wur-
        de an einem Zipfel eröffnet und in die
        Bauchdecke eingenäht. Kock rechnete   Abb. 2
        damit, dass die Bauchdeckenmuskula-  Ileoanaler J-Pouch. Aus dem Dünndarm wird ein Reservoir gebildet, das nach Entfer-
        tur einen größeren Druck aufbauen   nen des Dickdarms direkt auf den Schließmuskel genäht wird. Der Letztere sichert die
        wird als das Reservoir, so dass das Letz-  natürliche Kontinenz und macht ein kontinentes Ileostoma überflüssig.


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