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Denn sie verstärkt die Tabuisierung von
                                                                               Inkontinenz, Betroffene ziehen sich aus
                                                                               dem gesellschaftlichen Leben zurück.

                                                                               Die medizinische Fachgesellschaft ruft
                                                                               die Entscheidungsträger in Kranken-
                                                                               kassen und Politik auf, die individuelle
                                                                               Grundversorgung mit insbesondere
                                                                               aufsaugenden Inkontinenzhilfsmitteln
                                                                               zu überarbeiten. Das Ziel sollte sein:
                                                                               eine angemessene Qualitätsversor-
                                                                               gung ohne Mehrkosten für die
                                                                               Patientinnen und Patienten, optimal
                                                                               abgestimmt auf die jeweiligen Anfor-
                                                                               derungen und die Lebenssituation.

                                                                               Um die Hilfsmittelversorgung insge-
                                                                               samt zu verbessern, fordert die Deut-
                                                                               sche Kontinenz Gesellschaft konkret:

                                                                                · bundesweite Vereinheitlichung der
                                                                                  Pauschalen auf höherem Niveau


                                                                                · ausgewiesene Honorierung des
                                                                                  Beratungsprozesses
          Experten fordern individuelle adäquate  ermöglicht, die Lebensqualität hebt
          Versorgung – Krankenkassen erfüllen  und auch Folgeerkrankungen etwa  · Einführung einer Strukturierung
          diese Pflicht häufig nicht. Gesetzlich  an der Haut aufgrund falscher Inkonti-  des Beratungsprozesses auf Basis
          Versicherte Personen haben zwar ent-  nenzmittel vermeidet. So können   der Leitlinie Hilfsmittelberatung
          sprechend des Fünften Sozialgesetz-  Kosten sogar noch gespart werden.  der Deutschen Gesellschaft für
          buches (§ 33 SGB V) grundsätzlich  „Bisher gab es für den notwendigen   Urologie (DGU)
                                     ©FgSKW
          Anspruch auf eine Versorgung, die aus-  komplexen Beratungsprozess kein For-
          reichend, zweckmäßig und wirtschaft-  mat für einen zielorientierten Ablauf.  Das Fazit von Univ.-Prof. Andreas
          lich ist sowie qualitativ dem Stand der  Das wollten wir ändern“, erklärt Univ.-  Wiedemann:„Wir haben offensicht-
          medizinischen Wissenschaft entspricht.  Prof. Wiedemann. Unter seiner Leitung  lich ein Problem in der ambulanten
          So sind Krankenkassen verpflichtet, In-  erarbeitet der Arbeitskreis„Geriatrische  Versorgung mit Inkontinenzhilfsmit-
          kontinenz-Patienten (ab Schweregrad  Urologie“ eine Leitlinie, die den gesam-  teln. Das verschärft sich durch weite-
          2) mit individuell notwendigen Inkonti-  ten Versorgungsprozess strukturiert  re Absenkungen der ohnehin schon
          nenzhilfsmitteln auszustatten, die auch  und Qualitätskriterien dafür definiert:  intransparent gestalteten Pauscha-
          qualitativ festgelegten Vorgaben   Die S2k-Leitlinie Hilfsmittelberatung  len. Dies kann so nicht weitergehen.
          entsprechen müssen – und dies ohne  [4]. Sie schließt unter anderem auch  Wir brauchen eine von allen im
          Mehrkosten (außer dem gesetzlichen  die Kommunikation mit der beteiligten  Gesundheitsbereich beteiligten
          Eigenanteil von 10 Prozent des Erstat-  Ärztin/dem beteiligten Arzt mit ein. Zu  Akteuren erarbeitete Lösung.“
          tungsbetrags, maximal 10 Euro pro  den neuen Qualitätskriterien gehören
          Monat). Die Realität sieht aber anders  etwa auch, dass die beratenden Perso-  Literatur
          aus: Weil eine professionelle Beratung  nen definierte Kenntnisse über Harnin-
          vielfach fehlt oder die eingeschränkte  kontinenz-Therapien haben müssen.  (1) Vertrag der AOK Nordwest zur Versor-
          Produktrange der jeweiligen Kranken-                                    gung mit aufsaugenden Inkontinenz-
          kasse kein individuell zuverlässiges  Die Deutsche Kontinenz Gesellschaft  hilfen (PG 15) ab 1. Februar 2022
          Hilfsmittel bietet, greifen Patientinnen/  sieht dringenden Bedarf, das beste-
          Patienten vielfach zu anderen Produk-  hende System der Pauschalvergü-  (2) GKV-Spitzenverband: Pressemitteilung
          ten, um zuverlässig geschützt zu sein –  tung in weiten Teilen zu reformieren.  15. März 2016: Qualität der Inkonti-
          deren Kosten sie aber aus eigener  Der erste Vorsitzende Univ.-Prof.    nenzversorgung wird deutlich
          Tasche bezahlen. Das widerspricht  Wiedemann: Bei noch weiter sinken-   verbessert
          dem Sachleistungsprinzip.          den Pauschalen oder Delegation der
                                             Versorgung an überregionale Lieferan-  (3) Magazin Stiftung Warentest
          Der Beratungsprozess in Apotheken &  ten mit„Hotlines“ ist eine weitere  #7/2017: Kein Verlass auf Profis
          Co. muss festen Kriterien folgen. Nur  Verschlechterung der Hilfsmittelversor-
          dann gewährleistet die Beratung eine  gung zu befürchten.“ Die Deutsche  (4) Deutsche Gesellschaft für Urologie
       Bild: © BVMed  optimale Hilfsmittelversorgung, die  Kontinenz Gesellschaft prangert die  (DGU). Hilfsmittelberatung, S2k-Leit-
                                             intransparente Versorgung mit Inkonti-
          jeder Patientin und jedem Patienten
                                                                                  linie, 2020 - AWMF-Registernummer
          individuell einen„sicheren“ Alltag
                                             nenzhilfsmitteln schon seit Jahren an.
                                                                                  043-054
          Presseinformation                           Zurück zum Inhaltsverzeichnis               Nr. 149 · 02/2022  5
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