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an – dies vor allem mit Blick auf die  übergreifend fällt die Beurteilung  Notfallversorgung einher. Damit
          Navigation im Gesundheitssystem    gesundheitsrelevanter Informationen  unterstreichen die Ergebnisse einmal
          und den dazu nötigen Informationen:  am schwersten. So hat rund jede*r  mehr die Bedeutung von Gesund-
          Rund 70 Prozent finden es sehr     zweite Befragte der internationalen  heitskompetenz als wichtige Einfluss-
          schwierig, herauszufinden welche Un-  Studie Probleme damit, die Vor- und  größe auf die Gesundheit und als
          terstützungsmöglichkeiten es gibt, die  Nachteile verschiedener Behand-  Stellschraube für die Kosten im Ge-
          ihnen helfen können, sich im Gesund-  lungsmöglichkeiten einzuschätzen.  sundheitssystem. Gerade die Corona-
          heitssystem zurechtzufinden. Nahezu  Auch der Nutzen der Gesundheitsin-  Pandemie hat die Notwendigkeit
          50 Prozent haben Schwierigkeiten, zu  formationen in den Medien wird als  eines kompetenten Umgangs mit Ge-
          beurteilen, welche Art der Gesund-  wenig hilfreich eingeschätzt: Rund 40  sundheits- und Krankheitsinformation
          heitsversorgung sie im Falle eines  Prozent haben Schwierigkeiten, auf-  gezeigt. Umso wichtiger ist es, dass
          Gesundheitsproblems benötigen.     grund von Informationen in den Medi-  die Förderung von Gesundheitskom-
                                             en zu entscheiden, wie man sich vor  petenz in der Bevölkerung aber auch
          Die Leiterin der deutschen Studie,  Krankheiten schützen kann – ein mit  im Gesundheits- und Bildungssystem
          Professorin Dr. Doris Schaeffer von  Blick auf die Corona-Pandemie alar-  stärker in den Fokus der Politik
          der Universität Bielefeld, führt dieses  mierendes Ergebnis. Besorgniserre-  genommen wird.
          Ergebnis in erster Linie auf die Struk-  gend ist auch, dass ein verhältnismä-
          turen des deutschen Gesundheitssys-  ßig hoher Anteil der Befragten – rund  Mit dem Internationalen Health Litera-
          tems mit seinen abgegrenzten Sekto-  ein Drittel – Probleme hat, Informatio-  cy Survey (HLS₁₉) wurde von bis 2019
          ren und zahlreichen Schnittstellen zu-  nen über den Umgang mit psychi-  bis 2020 eine neue international Erhe-
          rück:„Im Unterschied zu den meisten  schen Gesundheitsproblemen zu fin-  bung der Gesundheitskompetenz der
          anderen in die Untersuchung einbezo-  den. In Deutschland trifft dies sogar  Bevölkerung in Ländern der WHO
          genen Ländern ist das Gesundheits-  auf über die Hälfte der Bevölkerung  Region Europa vorbereitet und durch-
          system in Deutschland sehr komplex  zu. Dies ist umso problematischer, weil  geführt. Dabei sind Österreich, Belgi-
          und instanzenreich.                der Anteil psychischer Belastungen in  en, Bulgarien, Tschechische Republik,
          Für die Nutzer*innen ist es daher  letzter Zeit zugenommen hat.      Dänemark, Frankreich, Deutschland,
          schwer überschaubar. Dadurch ist es                                  Ungarn, Irland, Israel, Italien, Norwe-
          nicht einfach, sich im Gesundheitssys-  Gesundheitskompetenz ist sozial  gen, Portugal, Russland, Slowakei,
          tem zu orientieren und direkt, ohne  ungleich verteilt               Slowenien und die Schweiz. Ziel ist es
          große Umwege, die richtige Stelle für                                zur Weiterentwicklung der Forschung
                                     ©FgSKW
          das eigene Anliegen zu finden. Durch  Doch nicht nur der hohe Anteil gerin-  über Gesundheitskompetenz in Euro-
          die Sektorierung und die Zersplitte-  ger Gesundheitskompetenz in der  pa beizutragen, eine Datenbasis für
          rung entstehen zudem zahlreiche Ver-  Gesamtbevölkerung ist alarmierend,  eine evidenzbasierte Gesundheits-
          sorgungsbrüche. Sie sind besonders  sondern auch die Tatsache, dass Ge-  kompetenzpolitik zu schaffen, eine
          häufig bei den Versorgungsverläufen  sundheitskompetenz sozial ungleich  Grundlage für die Interventionsent-
          von Menschen mit langandauernden   verteilt ist. So bestätigt sich in der in-  wicklung bereitzustellen sowie die Be-
          Gesundheits- und Krankheitsproble-  ternationalen Studie, was bereits die  deutung von Gesundheitskompetenz
          men zu beobachten. Die neue Regie-  deutschlandweite Befragung ergab:  auf der politischen Ebene zu stärken.
          rung steht damit vor einer großen  Einige Bevölkerungsgruppen haben
          Aufgabe und muss vor allem darauf  größere Schwierigkeiten im Umgang
          achten, die Navigation zu erleichtern  mit Gesundheitsinformationen als
          und zu einem nutzerfreundlichen Ge-  andere. Dazu zählen insbesondere
          sundheitssystem zu gelangen, in dem  Menschen mit geringen finanziellen
          hoher Wert auf Gesundheitsinformati-  Ressourcen, niedrigem sozialen Status
          on und die Förderung von Gesund-   und niedrigem Bildungsniveau. Doch
          heitskompetenz gelegt wird.“       auch die Gesundheitskompetenz von
                                             Menschen im höheren Lebensalter ist
          Wie wichtig das ist, zeigen auch die  geringer als die des Durchschnitts der
          neuen Daten zur allgemeinen Ge-    Befragten. Dies ist deshalb heikel, weil
          sundheitskompetenz: Im Schnitt ver-  sie besonders auf Gesundheitsinfor-
          fügt nahezu die Hälfte (46 Prozent)  mationen angewiesen sind.
          der Befragten in den beteiligten 17
          Ländern über eine geringe Gesund-  Geringe Gesundheitskompetenz ist –
          heitskompetenz. Auch hier fallen die  wie die neue internationale Studie
          Werte für Deutschland schlechter aus.  zeigt – folgenreich für die Gesundheit
          Eine Förderung der Gesundheits-    und auch für das Gesundheitssystem.
          kompetenz ist hier deshalb besonders  Sie geht mit einem ungesünderen  Kontakt:
          notwendig.                         Gesundheitsverhalten, schlechterem  Prof’in Dr. Doris Schaeffer
                                             subjektiven Gesundheitszustand und  Fakultät für Gesundheitswissenschaft
          Ansatzpunkte dazu lassen sich eben-  einer intensiveren Inanspruchnahme  Telefon: 0521 106-4669
          falls aus den Ergebnissen der interna-  des Gesundheitssystems, etwa von  E-Mail: doris.schaeffer@uni-bielefeld.de
          tionalen Studie ableiten; denn länder-  Hausärzten, der Krankenhaus- oder


          Presseinformation                           Zurück zum Inhaltsverzeichnis               Nr. 147 · 12/2021  7
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